Schafwolle als Dämmstoff
Versuch der neutralen Beurteilung eines hervorragenden "Naturbaustoffes"
Ökologische Kompromisse für ein optimales Bauprodukt ?
Nur wenige nachwachsende Dämmstoffe stehen seit Jahren so stark in der ökologischen „Diskussion“ wie das Produkt „Schafwolle“.
Ein Überangebot an Wolle auf dem Weltmarkt mit absolutem Preisverfall für den Produzenten steht einem relativ „teurem Dämmstoff“ Schafwolle im Baustoffhandel gegenüber, dessen Preisgestaltung für den Verbraucher ohne HIntergrundinformation nur schwer nachvollziehbar ist.
Technische Eigenschaften des Dämmstoffes Wolle: Kaum ein Produkt weist eine gleiche Fülle von technischen Vorteilen auf wie das Produkt Schafwolle:
Langlebigkeit/Formstabilität/Faserbruch:
Selbst bei permanenter physikalischer Belastung (Einsatz bei technischer Isolierung sowie in so genannten Kulissenschalldämmungen) gibt es im Gegensatz zur künstlichen Mineralfaser bei Wolle nahezu keinen Faserbruch – die Knickfestigkeit liegt bei über 20 000 im Gegensatz zur KMF, die bereits bei einmal Knicken (180°) bricht – diese Elastizität verleiht dem Produkt Formstabilität und Langlebigkeit. Dank des Faseraufbaues wird diese Elastizität und Formstabilität bei Feuchtigkeitsaufnahme kaum beeinträchtigt – ebenso wenig wie die Dämmeigenschaft (Wärmeleitfähigkeit auch bei 16 % Gewichtsanteil Wasser nicht über 0,034).
Diese physikalisch/chemischen Eigenschaften sowie
die medizinisch seit Jahrzehnten praktizierte vollkommene Biolöslichkeit von Schafwolle (Einsatz in der Chirurgie als „Biopolymer“) - damit keine gesundheitlichen Risiken aus "Faserbealstungen" wie beispielsweise bei Zellulose
der verzicht auf Flammschutzmittel
sind die Voraussetzung für den jahrelangen bewährten Einsatz von Schafwolle sowohl im Hochbau, im Bereich technische Isolierung sowie im Bereich Schadstoffsanierung/Prävention.
Voraussetzungen für den Einsatz als Dämmstoff:
Trotz dieser hervorragenden Eigenschaften weigern sich viele Handwerker und Planer Schafwolle als Dämmstoff einzusetzen. Schuld daran haben unzählbare negative Erfahrungen in der Vergangenheit mit Wolle in Gebäuden – primär durch hohe Bauschäden – verursacht durch Motten.
Einzelne Naturbaustoffhersteller der Pionierzeit verabsäumten einen ausreichenden Schutz des Produktes gegen Motten – richtigerweise waren sie zwar keineswegs bereit, wie in anderen Ländern und bei zahlreichen Teppichen hochgiftige Pyrethroide dem Naturprodukt beizusetzen und damit erst wieder Schadstoffe in die Gebäude einzubringen.
Als Mottenschutz- Alternative bot sich das Produkt Bor an – bei geringer Wolldichte ohnedies notwendig, um auch als Brandschutzmittel die für den Bau erforderliche Brandschutzklasse B2 zu erreichen. Dieses Produkt, wenngleich nicht ganz unumstritten, wurde und wird auch von anderen Baustoffherstellern (z.B. Zellulose – hier sogar mit wesentlich höherem Anteil) seit Jahren verwendet.
Nicht berücksichtigt wurde dabei die bereits seit langem bekannte Tatsache, dass Bor (neben der nachgewiesenen reproduktionstoxischen Eigenschaft) nicht dauerhaft auf Wolle haften bleibt – aus diesem Grunde gibt es bei zahlreichen Gebäuden der 90 Jahre erst jetzt nach Jahren plötzlich auftretende Mottenschäden.
Diese äußerst unerfreulichen „Bauschäden“ verursachen nicht nur hohe Reparaturkosten, sondern führen vor allem zu Verunsicherung von Planern und Verarbeitern bezüglich des grundsätzlichen Einsatzes von Wolle am Bau.
Nur wenige Möglichkeiten bieten sich derzeit für einen funktionierenden Mottenschutz an
- ein patentiertes Verfahren eines Herstellers der Fixierung von Bor mittels Latex (diskutiert wird dabei, ob damit die positiven Eigenschaften der Wolle im Hinblick auf Feuchtigkeits- und Schadstoffaufnahme beeinträchtigt werden; auch die zwischenzeitliche Einstufung von Bor als reproduktionstoxisch baut hier vor allem „emotionelle“ Barrieren auf – wenngleich eine solche Einstufung für Borate für den Einsatz bei Baustoffen fachlich nicht unmittelbar relevant für die Innennraumluft ist.)
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die Behandlung mittels eines erprobten – gesundheitlich als unbedenklich eingestuften chemischen Mottenschutzes - hier ist aktuell nur ein einziges uns bekanntes, gesundheitlich unbedenkliches und dauerhaft wirksames(!) Produkt am Markt. (Wichtig: ein pyrethroidfreies Produkt) - nämlich Thorlan IW
Für Thorlan IW gibt es wiederum zwei Möglichkeiten der Einbringung
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Aufbringen zugleich mit der Wäsche (= Einwaschen) mit irreversibler Bindung in der Faser – diese Methode erfordert einen kontrollierten, aufwändigen Umgang im Rahmen der Wollwäsche und wird daher nur in sehr wenigen Wollwäschereien in Europa angewandt. Dies bedeutet natürlich lange Transportwege und kostenintensive regionale Sammellogistik. Benötigt wird bei dieser Methode wesentlich weniger dieses chemischen Mottenschutzes
Durch das irreversible Einwaschen wirken die pyrethroidfreien, gesundheitlich vertretbaren Mottengifte (früher Mitin FF; zwischenzeitlich in Eurpoa fast nur Thorlan IW) beispielsweise ausschließlich über den Magen-Darmtrakt der Schadinsekten und können nicht über die Atemluft vom Menschen aufgenommen werden (im eingebauten Zustand als Dämmstoff ohnedies nicht relevant). Von Skeptikern angeführter Nachweis beispielsweise von Mitin FF in Raumstaubproben gab es nur bei der Verwendung von Mitin FF in Teppichböden – verursacht durch den natürlichen Abrieb des Teppichs.
Auch die Kriterienkommission des Internationalen Naturbaustoffzeichens „natureplus“ „akzeptiert“ im Interesse der Gebrauchstauglichkeit und angesichts der seit Jahrzehnten klinisch/wissenschaftlich unwidersprochenen gesundheitlichen Unbedenklichkeit für diesen Einsatz Produkte wie Mitin FF, Thorlan IW in der erforderlichen- sehr geringen - Konzentration als Mottenschutz.
Negativbewertungen dieses Einsatzes beruhen bisher nicht auf klinischen negativen Erfahrungen und Messungen bei Einsatz in Dämmstoffen sondern lediglich aus grundsätzlicher, berechtigter Abneigung der „ökologischen Szene“ auf Grund der Rohstoffe und der Produktion für „chemischen Mottenschutzmittel“ dieser Art. Leider schaden derart „emotionell“ geführte Diskussionen dem Dämmstoff Schafwolle insgesamt und zeigen derzeit noch keinerlei auch bauaufsichtlich zugelassene, praktikable Alternative.
Bestrebungen ein alternatives Mottenschutzmittel zu finden (pflanzliche Insekten Gifte wie zum Beispiel das Öl des Niem Baumes, Zirben oder Zedernholz u.ä.) sind zwar aus ökologischer Sicht wünschenswert; professionelle Baustoffhersteller
sehen diese Bemühungen jedoch nach wie vor mit großer Skepsis, da vor allem im Dachbereich mit sehr hohen Temperaturen (über 90 °C) zu rechnen ist, und pflanzliche Öle sämtliche durch Verdunstung innerhalb weniger Jahre Ihre Funktion
verliereBn würden. Hier müssten im Vorfeld herstellerunabhängige, anerkannte „Alterungsversuche“ mit Temperaturen über 90 Grad C eine Jahrzehnte- Funktionalität sowohl die dauerhafte Wirksamkeit als auch vor allem die „Langzeit -
Haftungssicherheit“ auf der Wolloberfläche nachweisen.
Eine Nachbehandlung wie bei Teppichen nach einigen Jahren ist verständlicherweise bei eingebauten Bauprodukten nicht möglich.
Im Hinblick auf die Produkthaftung - vor allem aber auf Grund der Erfahrungen
der Vergangenheit (beispielsweise mit dem üblicherweise nicht dauerhaft haltendem Bor bei Schafwollprodukten) verweigern daher Hersteller und Fachhandel ebenso wie professionelle Verarbeiter hier berechtigterweise derzeit noch praktische Experimente mit ungewissem Langzeit - Ergebnis für den Einsatz in Baustoffen auf dem Rücken der Verbraucher.
Ebenfalls noch kein Ergebnis zeichnet sich hier im Rahmen eines österreichischen Forschungsprojektes am Haus der Zukunft mit dem leider inzwischen verschiedene Univ. Lektor Dipl.-Chem. Hanswerner Mackwitz bei der Suche nach Lösungen im Sinne „sanfter Chemie“ ab; nach Abschluss der „Gebrauchtauglichkeit – Prüfungen“ und den ersten damit behandelten Dämmstoffen mit europäischer Zulassung wurde hier vergeblich eine rundum „ökologische“ Lösung ergeben.
Weitere bisherige „ökologische“ Einwände gegen Schafwolle:
ökologisch unnötige Transportwege z.B. aus Australien/Neuseeland
Stützfasern aus Kunststoffen
Tierhaarallergie - Auslöser
mangelnder Brandschutz
Treibhauspotential "Methan" aus der Schafzucht (siehe Kommentar zu "Ökobilanz")
Sämtliche dieser Argumente sind seit Jahren am Dämmstoffmarkt nicht mehr relevant – es wird derzeit in Deutschland ausschließlich europäische Wolle angeboten – und dies in Form von Vliesen, Matten und Platten – zum größten Teil ohne (ohnedies nur aus "ökologischer" Sicht/ Erdölprodukte angreifbare) Stützfasern.
Letzteres setzt aber hohes know how im Bereich der Vernadelung bzw. der Mattenproduktion voraus und – die Verwendung hochwertiger Fasern.
Auch derzeit geführte intensive Bestrebungen eines Aufbaus einer Dämmstoffproduktion in der Mongolei (begleitet durch die Sentinel-Haus Stiftung e.V.) im Rahmen von Regionalentwicklungsprojekten hat ausschließlich das Ziel einer Belieferung des – inzwischen höchst „gesundheitsbewussten“ asiatischen Marktes (China, Japan, Korea) und sieht nicht ökologisch unnötige Transporte nach Europa vor.
Tierhaarallergie wiederum wird nicht durch die Faser - sondern durch Fette und Fettalkohole ausgelöst – bei entsprechend gewissenhaft gewaschener Wolle sind diese nicht mehr vorhanden und das Endprodukt daher für Allergiker unbedenklich.
Dazu gibt es umfangreiche Untersuchungen des deutschen Wollforschungsinstitutes an der Universität in Aachen.
Brandschutz:
Reine Schafwolle ist selbstverlöschend und benötigt ab einer gewissen Rohdichte keinen Flammschutz um die EURO-Klasse E zu erreichen.
Daraus ergeben sich aber eine Reihe von Faktoren, die das Produkt (unabhängig von verfallenden Weltmarktpreisen für Wolle allgemein) teuer machen –
- hohe Ansprüche an die Wollqualität für eine qualitativ aufwändige Verarbeitung; aufwändige Transport und Logistikmaßnahmen zur Verbringung des Rohstoffes zu den wenigen kontrollierten, exakten Wollwäschereien in Europa, die zugleich in der Lage sind, eine gleichmäßige Einbringung des Mottenschutzmittels zu garantieren
Mit dem leider vorzeitig abgebrochenem Markteinführungsprogramm der Bundesregierung für nachwachsende Dämmstoffe wurde über einige Jahre in Deutschland erfolgreich versucht – über die Senkung des Endpreises für den Verbraucher die Marktanteile nachwachsender Dämmstoffe generell zu erhöhen und damit Produktions- und Logistikkosten bereits mittelfristig wesentlich zu senken. Der Abbruch (leider nicht erfolgte, sinnvolle Verlängerung dieses Programms - mit sinkenden Fördersätzen entsprechend den sinkenden „Produktions- und Logistikkosten“ bei höherer Marktdurchdringung) gibt sicherlich auch Auskunft über die Ernsthaftigkeit angekündigter „nachhaltiger“ Landwirtschaftspolitik der derzeitigen Bundesregierung.
Sehr oft überlegen regionale Schafwoll-Zuchtvereine durch eine Selbstvermarktung Ihre Schafwolle als Dämmstoff anzubieten:
Aus Gründen der Produkt- und Beratungshaftung ist aber kein verantwortungsbewusster Händler, Planer oder Verarbeiter in der Lage, gelegentlich am Markt angebotene ProdukteB ohne der bauaufsichtlichen Zulassung zu empfehlen, anzubieten oder zu verarbeiten – diese Qualitäts-Forderung wurde in der Vergangenheit ebenfalls äußerst positiv unterstützt durch die Kriterien des staatlichen Förderprogramms – gefördert wurden ausschließlich Produkte mit Zulassung – zusätzlich gefördert Produkte mit dem ökologischen Prüfzeichen „natureplus“.
Eine Förderung natureplusgeprüfter Produkte bietrn zwischenzeitliche verschiedene Förderprogramme von Banken, aber auch beispielsweise Bundesländern in Österreich (z.B. Niederösterreich) an.
Beispiel:
Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt
Wünschenswert wäre aber auch für eine zusätzliche Marktdurchdringung eine Umsetzung der zahlreichen Absichtserklärungen der Politik im Hinblick auf Nachhaltigkeit im Bauwesen in Form des Einsatzes solcher Produkte bei allen öffentlichen Baumaßnahmen.
Derzeit fordert der Gesetzgeber vom Verbraucher Umweltbewusstsein ein – vermeidet aber leider teilweise selbst eine glaubwürdige Umsetzung im eigenen Entscheidungsbereich, obwohl bereits mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofes zwischenzeitlich die Rechtskonformität der Forderung nach Einhaltung von „Nachhaltigkeitskriterien“ auch bei öffentlichen Ausschreibungen bestätigt haben, sofern bei diesen Ausschreibungen entsprechende Kriterien berücksichtigt werden.
Unterstützt werden zwischenzeitlich zwar unter dem Begriff Nachhaltigkeit Fragen der CO2 Einsparung/ Energiesparmaßnahmen - vor allem aber Fragen der Wohngesundheit (Forderung Nachweise für Emissionsarmut) werden derzeit noch immer sehr halbherzig behandelt. (Siehe dazu auch Stellungnahme zu Leitfaden 2013 "nachhaltiges Bauen": http://www.sentinel-haus-stiftung.eu/aktuelles-literatur/ Mai 2013).
Entscheidungshilfen beim Kauf / Einsatz von Schafwolle:
Anforderungen für den gewerblichen Einsatz
1) Insektenschutz, Kennzeichnungen, Gebrauchstauglichkeit allgemein mit sämtlichen erforderlichen technischen Prüfungen
2) bauaufsichtlichen Zulassung vom deutschen Institut für Bautechnik (alternativ: Europäische Zulassung) = Erfüllung der technischen Vorschriften für die Eignung als Baustoff
3) Überprüfung auf gesundheitlich – ökologische Unbedenklichkeit = Emissionszeugnis (Seite 3)
(gesundheits-unbedenklicher Mottenschutz, vertretbare Rohstoff-Herkunft incl. umweltvertretbarer Transportwege, Prüfung auf Schadstoffe, Betriebsstättenprüfung – umweltverträgliche Produktion, Wäsche……)
Schafwolle - der "älteste" Dämmstoff überhaupt:
Chinesische Quellen berichten zum ersten Mal im 6.Jh. nach Christ über Jurten bei Nomaden; es ist anzunehmen, dass die Jurte (mongol. „Ger“) auf eine über 2000 jährige Entwicklungsgeschichte zurückblickt.
„Gedämmt“ wird die mongolische Jurte mit ca. 3 cm dicken Filz (Schafwolle); diese Dämmung ermöglicht sowohl in den extrem langen, kalten Wintern als auch im Sommer erträgliche Innennraumtemperaturen.
Abensberg 2012
Dämmstoff Schafwolle in der Mongolei
Der "Gesundheitsbau"
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